De Gaulle und Coudenhove-Kalergi über Europa
Die Charles de Gaulle Stiftung veranstaltete ein Symposium unter dem Titel „De Gaulle, Coudenove-Kalergi, die Gaullisten und Europa“. Das Symposium fand am 28. Januar 2016 im Palais Luxembourg im Senat in Paris statt.
Der Präsident des Französischen Komitees der Paneuropa-Union, Senator Jean Bizet, und der Präsident der Internationalen Paneuropa-Union, Alain Terrenoire, nahmen mit ihren Reden als herausragende Historiker und Zeitzeugen an dem Symposium teil. Das gesamte Programm wurde durch die Rede des Präsidenten der Paneuropa-Bewegung Österreichs, Erzherzog Karl von Habsburg, abgeschlossen.
De Gaulle, Richard Coudenove-Kalergi, die Gaullisten und Europa
Als Zeuge historischer Ereignisse erinnerte Präsident Alain Terrenoire in einem historischen Rückblick an die Inspiration, das Konzept und die Vision von Europa durch Charles de Gaulle.
Nachfolgend einige Auszüge aus der Rede von Präsident Terrenoire, die in den Europäischen Briefen der Richard-Coudenhove-Kalergi-Gesellschaft veröffentlicht wurden.
"Der ehemalige Chef der 'France Libre' hatte von Europa, wie auch von anderen Themen, eine ehrgeizige, aber realistische Meinung. Diese Vision, die er in den dunklen Jahren des zweiten Weltkriegs öffentlich gemacht hat, teilte er mit der von Richard Coudenhove-Kalergi, dem Gründer der Paneuropa-Union, der ältesten der proeuropäischen Nichtregierungsorganisationen.
De Gaulle wollte, im Gegensatz zu allen anderen Überzeugungen, sowohl der der begeisterten Unterstützer eines supranationalen Europas als auch der der Gegner einer europäischen Einigung auf Kosten souveräner Staaten, und zwar entsprechend dem Vertrag von Rom, dass seine „Idee von Frankreich“ sich zuerst in einer Konföderation Europa spiegeln sollte, deren Hauptstütze die immer engere französisch-deutsche Einigung wäre.
Vierundfünfzig Jahre nach der Ablehnung des Plans Fouchet, der eine politische Einigung wie von de Gaulle vorgesehen bringen sollte, ist es Europa noch immer nicht gelungen, eine wirkliche Außenpolitik zu entwickeln und die Verteidigung seiner Außengrenzen zu bewerkstelligen, damit seine Unabhängigkeit und seine Sicherheit garantiert sind.
Von außen von den Vereinigten Staaten und von innen von Großbritannien dazu gedrängt, haben sich vor den sukzessiven Erweiterungen der europäischen Union meist die früheren Länder des Warschauer Paktes der NATO angeschlossen.
Diese Anschlüsse haben für die meisten Länder eine Kürzung ihrer Verteidigungsbudgets mit sich gebracht, zum Nutzen einer proamerikanischen Geopolitik und einer Verteidigung, die im Wesentlichen von der NATO, d.h. von den Vereinigten Staaten getragen wurde. Aber wie sollte man sich trotzdem nicht darüber freuen, dass die Länder Mittel-und Osteuropas sich von der sowjetischen Unterdrückung befreien konnten, um sich einem Europa der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte anzuschließen?
Der Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Union, dem General de Gaulle mit Skepsis gegenüberstand, hatte eine zweifache Konsequenz: Einerseits wurde das europäische Projekt im Wesentlichen in eine kommerzielle und monetäre Freihandelszone verwandelt, die entsprechend der liberalen angelsächsischen Kultur geregelt war, und andererseits wurde der Fortschritt seiner Partner zur Harmonisierung ihrer ökonomischen, monetären, budgetären, fiskalischen und sozialen Politik gebremst.
Trotz allem ist es der Europäischen Union gelungen, eine historische Entwicklung zu vollziehen, indem sie in einer Projektgemeinschaft, in der man sich frei bewegen kann, mehr als 500 Millionen Menschen friedlich zusammengeführt hat.. Die Solidarität, ebenso wie die Zwänge, die die Verträge der Eurozone den Ländern aufgezwungen haben, haben jedenfalls dazu beigetragen, ihre Politik einander anzunähern und gleichzeitig den finanziellen, monetären und sozialen Turbulenzen der Krise standzuhalten.
Diese Krise hat auch eine Änderung in der Führung der Europäischen Union mit sich gebracht. Ursprünglich von der Kommission in Brüssel geleitet, ist die Macht in Europa in der Praxis zunehmend auf die Regierungen der Mitgliedsstaaten, besonders in der Eurozone, übergegangen.
Das heißt, dass Europa als Union der Nationalstaaten, wie sie der erste Präsident der Fünften. Republik vorausgesagt hat, am besten geeignet ist, Krisen zu begegnen.
Diese Feststellung bestätigt sich vor den internen und externen Herausforderungen, die die Europäische Union bedrohen. In deren Mitte haben sich nationalistische und xenophobe Tendenzen herauskristallisiert, die sich mit den Bewegungen von Flüchtlingen und Migranten in die Länder nördlich des Mittelmeeres verstärkt haben.
Die Kommission, die vor diesem Phänomen, das sie nicht vorausgesehen hat, und vor den häufig feindlichen und widersprüchlichen Reaktionen der Mitgliedsstaaten hilflos ist, sieht sich gezwungen, das Schengen-System, das eigentlich die Außengrenzen der Union schützen soll, in Frage zu stellen.
Da sie eine gemeinsame geopolitische Vision nicht erarbeitet und keine militärische Unterstützung hat, ist die Europäische Union unfähig zu intervenieren, um die Konflikte, die sie direkt oder indirekt bedrohen, zu bekämpfen beziehungsweise einzugrenzen.
Frankreich findet sich daher in Afrika gegenüber den Konflikten, die durch den radikalen Islamismus verursacht sind, isoliert. Und seine Teilnahme an der Koalition, die den Syrischen Bürgerkrieg eindämmen und den Islamischen Staat bekämpfen soll, ist nicht erfolgreich genug.
Nach dem Verschwinden des sowjetischen Systems hat sich Russland, das durch seine Geographie, seine Geschichte, seine wirtschaftlichen Interessen und seine Kultur an Europa gebunden ist, neuerlich in den Nachbarländern, in Moldawien, Georgien und der Ukraine, engagiert, und zwar durch Eroberung von Territorien. Dies stellt die friedliche Koexistenz in Frage stellt und erregt die größte Unruhe in den baltischen Staaten und in der internationalen Gemeinschaft.
Diese Herausforderungen, die Europa politisch, ökonomisch und sozial verwundbar machen, haben im Besonderen zur Folge, die Zugehörigkeit der Völker, speziell der Franzosen, zur europäischen Union in Frage zu stellen.
Das heißt, dass gerade in dem Moment, wo die Präsenz eines solidarischen, mächtigen, freien und unabhängigen Europas auf den einzigen Gebieten, die die Nationen ihnen anvertraut haben, am notwendigsten wäre, zumindest enttäuschend und ungenügend erscheint.
Es wäre die Aufgabe eines Präsidenten der Republik, der die Überzeugungen de Gaulles teilt, sich von dem Weg, den dieser vorgezeichnet hat, inspirieren zu lassen und Frankreich die Aufgabe und den Platz wiederzugeben, der dieser Idee von Europa entspricht."
Alain Terrenoire,
President of the International Paneuropean UnionErklärung zu den „Europäischen Briefen“
Programm (FR) (PDF)